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Die Symptome von Posttraumatischen Belastungsstörungen werden alle durch die Erinnerung an das Geschehen, das die psychische ‘Verwundung’ hervorgerufen hat, ausgelöst. Wir sollten uns also mit dem menschlichen Erinnern auseinandersetzen, um die traumatische Erinnerung besser zu verstehen.
Rekonstruiertes Neuronen Bild
Der Neurobiologe Eric Kandel erklärt, dass das, was wir Erinnerung nennen, durch die synaptische Verbindung von Gehirnzellen ermöglicht wird. Synaptische Verbindungen, also Verbindungsstellen zwischen Nervenzellen, entstehen, wenn es zu einer ausreichenden Stimulation kommt, die von Reizen ausgehen, die von den Sinnen aufgenommen werden. Ein heftiger Sinneseindruck löst einen starken Reiz aus, der in eine Stimulation umgesetzt wird, die dafür sorgt, dass Proteine gebildet werden, die eine synaptische Verbindung herstellen. Diese Verbindung wird so lange aufrechterhalten, wie die Stimulation durch den Reiz der Sinne weiterbesteht. Dabei wird die Information, die das Ereignis auslöste, durch eine synaptische Verbindung mit einer anderen Sinneswahrnehmung verknüpft (oft die Wahrnehmung eines Ortes, oder eines Klanges/eines Geräusches). Das Erleben des Ereignisses kann deshalb durch ein erneutes Erleben des Ortes oder des Gehöhrten wieder wachgerufen werden. Wir erinnern uns. Sollte sich die Situation verändern und die Stimulation durch ein Nichtstattfinden des Ereignisses ausbleiben, dann werden keine neuen Proteine gebildet, die die Verbindung aufrechterhalten und da Proteine nur kurzlebig sind, stirbt die synaptische Verbindung ab und wir vergessen (Kandel, 2006). Diese ständige Veränderung des Gehirnes durch die Neuformierung und das Absterben von synaptischen Verbindungen hat der Neurobiologe Joseph LeDoux als ‘Plastizität des Gehirnes’ beschrieben (LeDoux, 2002). Diese Plastizität ermöglicht es uns, uns ständig an neue Situationen anzupassen, im Moment zu leben und mit unserer sich ständig verändernden Umwelt Schritt zu halten. Auch während Sie diesen Blog lesen oder hören, verändern sich Ihre synaptischen Verbindungen durch neue Einsichten und Erfahrungen, die Sie dabei sammeln, so dass Sie nach jeder neuen Information eine etwas andere Person geworden sind.
Für unser Selbstverständnis sind dabei zwei Prinzipien besonders wichtig:
- das wir dazu ausgelegt sind, uns ständig zu verändern und ‘im Fluss’ zu sein und
- die Verbundenheit, die wir durch dieses ‘im Fluss sein’ mit unserer sozialen und natürlichen Umwelt erreichen.
,,Das Leben ist im besten Fall ein fließender, sich verändernder Prozess, in dem nichts festgelegt ist”
Rogers 1961 in eigener Übersetzung
Eine wichtige Erkenntnis in Bezug auf das Erinnern ist, das Informationen nie alleinstehend, sondern immer in Verbindung mit anderen Informationen gespeichert werden. Dabei sind das Erleben von Umgebung und von Räumlichkeiten, das akustische Erleben, sowie der Gefühlszustand während des Erlebens besonders wichtig, so dass durch eine Rückführung in eine bekannte Umgebung, durch das Hören vertrauter Geräusche oder durch das Erleben eines ähnlichen Gefühls ein Erinnern ausgelöst werden kann.
Erinnerung Klinger 1896
Bibliographie
Kandel, E. (2006). In Search of Memory. New York: Norton and Company Inc.
LeDoux, J. (1996). The Emotional Brain. New York: Simon and Schuster Paperbacks.
Rogers, C. R. (1961). On Becoming a Person. London: Constable & Company.
Abbildungen
https://neurosciencenews.com/bigneuron-revolutionizing-neuron-reconstruction-with-ai/
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